… nur eben schon etwas früher.
Als ich ungefähr 10 Jahre alt war, durfte ich meinen wenige Monate alten Cousin auf den Arm nehmen. Mir wurde genau gesagt, was ich machen sollte, ich habe alles umgesetzt, fühlte mich sanft und liebevoll, also alles super! Und trotzdem hat mein Cousin angefangen zu weinen und fühlte sich nicht wohl. Ich konnte es nicht verstehen.
Fremdeln war mir natürlich noch kein Begriff und die Mechanismen dahinter erst recht nicht.
Dennoch hatte ich in meiner Jugend Spaß daran, ältere Kinder und Jugendliche für Bewegung zu begeistern, beispielsweise als Trainer fürs Klettern oder als Jugendgruppenleiter.
Aber zurück zu den Babys:
Als frisch gebackener Physiotherapeut habe ich im Kinder- und Jugendkrankenhaus angefangen zu arbeiten. Dort bin ich nochmals grandios gescheitert, obwohl ich doch alles Nötige in der Ausbildung gelernt hatte, wie ich dachte nur dachte. Eine Praktikantin die ich mit auf die Säuglingsstation nahm, fragte mich am Ende einer Behandlung, ob ich gerade das erste Mal ein Baby anzog. - Ich hatte mich total verknöpft mit dem Body. Wie peinlich.
Das war für mich der Antrieb von nun an alles richtig zu machen beim Handling mit Neugeborenen, beim An- und Ausziehen und beim Wickeln. Ich übte tagein, tagaus, Kinder gab es ja genug, die ich behandeln sollte. Ich vertiefte mein Wissen darüber, wie man die frühkindliche, die sogenannte sensomotorische Entwicklung positiv beeinflussen kann. Und das sogar beim Wickeln.
Das An- und Ausziehen war irgendwann kein Krampf mehr und ich musste nicht mehr drüber nachdenken. Ich durfte Eltern zeigen, was sie tolles bewirken können, wenn sie bei Alltagshandlungen wie Tragen, Hochheben und Hinlegen einige Grundsätze beachten. Diese brauchen nicht einmal zusätzliche “Trainingszeit”, da sie ja alltäglich sowieso gemacht werden.
Ich sah allerdings auch, wie sich manche Eltern noch beim zweiten oder dritten Kind mit dem Handling schwer taten. Und ich sah Kinder, die zur Physiotherapie kamen, obwohl sie körperlich keine Einschränkungen hatten, die die Auffälligkeiten in ihrer Bewegungsentwicklung hätten erklären können. Das Umfeld der Babys war oft die Ursache dafür, sprich der Lebensstil der Eltern. Ich bin überzeugt davon, dass alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollen. Das Problem ist fehlendes Wissen! Kombiniert mit falscher Werbung, schädlichen Produkten und Bewegungsarmut im Alltag führt das oft zu gravierenden Problemen.
Als ich dann selber Vater wurde, war das ein überwältigendes Erlebnis. Und wieder dachte ich, dass ich alles draufhätte. Ich hatte schließlich schon so viele Kinder in meinen Händen gehabt.
Und wieder musste ich in Demut erkennen, dass das nicht stimmte. Reine Technik und bedingungslose Liebe reichen noch nicht ganz aus, wenn ein Baby sich zu einem selbstbestimmten, freien Menschen entwickeln möchte. Wir entwickeln nicht unsere Kinder. Das lernte ich in dieser Phase. Kinder entwickeln sich selbst und wir Eltern sind dabei unglaublich wichtig, geben das Urvertrauen und schaffen die Umgebung, in denen sich Kinder entwickeln. Aber Wir bestimmen nicht über die Geschwindigkeit oder die genaue Reihenfolge.
Wenn dem so wäre, würden wir fast alles vergessen. Zum Glück hat jedes Kind selbst seinen eigenen Plan. Es kann sich an die widrigsten Umstände anpassen und dementsprechend entfalten.
Schaffen wir lieber die bestmögliche Umgebung für eine freie Entwicklung!